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Internationaler Gerichtshof

- IGH TOP 1: Antrag der Republik Ruanda auf Feststellung der Teilnahme am Völkermord gegen die Republik Frankreich gemäß Art. 40 Abs. 1 IGH-Statut

Die Republiken Ruanda und Frankreich haben sich bilateral darauf verständigt, ihre völkerrechtlichen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Beteiligung Frankreichs an dem Völkermord in Ruanda 1994 dem Internationalen Gerichtshof (IGH) von MUNBW 2025 vorzulegen. Konkret begehrt die Republik Ruanda gemäß Art. 36 Abs. 1 IGH-Statut (IGHSt) die Feststellung, dass die Republik Frankreich gemäß Art. III lit. e) der UN-Völkermordkonvention am Völkermord an den Tutsi teilgenommen hat. Darüber müssen nun die 17 Richter*innen des IGH entscheiden, ihre Rechtsauffassung in einem Urteil darlegen und begründen. 

Hintergrund des Verfahrens ist die (gesicherte) Tatsache, dass die französische Regierung unter Staatspräsident François Mitterrand damals das ruandische Regime, das den Völkermord an der Minderheit der Tutsi im Jahre 1994 zu verantworten hatte, unterstützt hatte. Diese Unterstützung beinhaltete diplomatische sowie militärische Garantien, teilweise auch Lieferungen von Waffen und Kriegsmaterial. Im Jahre 2021 gab der aktuelle französische Staatspräsident Emmanuel Macron zu, dass Frankreich den Völkermord in Ruanda nicht verhindert habe und die Unterstützung des Landes damals trotz der Gewalttätigkeit und des Rassismus des Regimes bedingungslos erfolgt wäre. Dadurch habe sich Frankreich aber nicht zur Mittäterin gemacht. 

Der Völkermord in Ruanda zählt zu den schwersten Verbrechen der jüngeren Geschichte. Dieses Thema erfordert eine respektvolle, sensible und ernsthafte Auseinandersetzung. Bitte seien Sie sich bewusst, dass im Rahmen des IGHs sowohl Schilderungen von Gewalt als auch andere potenziell emotional belastende Thematiken vorkommen können. 

Über den IGH 

Der Internationale Gerichtshof (IGH) ist ein Organ der Vereinten Nationen (UN) – wie auch der Sicherheitsrat, die Generalversammlung oder der Wirtschafts- und Sozialrat. Verankert ist die Schaffung dieses Hauptorgans der Völkerrechtsprechung in Art. 92 der UN-Charta (UNCh). Seine Organisation und Funktionsweise gestaltet das IGH-Statut aus.

Alle Staaten, die den Vereinten Nationen angehören, sind kraft Mitgliedschaft zugleich Vertrags- parteien des IGH-Statuts (IGHSt), dessen Bestimmungen für sie demnach gelten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten automatisch auch vor dem IGH auftreten können – sei es als Klägerin oder in der Verteidigung als Verklagte. Um sich vor dem IGH durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen und seiner Gerichtsbarkeit, also seiner Entscheidungsmacht, unterworfen zu sein, müssen die Mitgliedstaaten gesondert erklären, dass sie die Zuständigkeit des Gerichts auch für ein konkretes Verfahren anerkennen. Statt dies für jedes Verfahren einzeln zu tun, kann die Unterwerfung auch einmalig für alle aufkommenden Streitigkeiten erklärt werden (sog. Unterwerfungserklärung, Art. 36 Abs. 2 IGHSt).

Alt.: Frankreich und Ruanda haben beide keine allgemeine Unterwerfungserklärung abgegeben. Für die Simulation des IGH bei MUNBW 2025 haben sie sich jedoch entschieden, für den konkreten Fall der endgültigen Klärung von Frankreichs möglicher Mitschuld am Völkermord aus dem Jahre 1994 den IGH und dessen Rechtsprechung anzuerkennen.

Das Verfahren vor dem IGH von MUNBW 2025 ist zudem öffentlich, sodass auch Nichtregierungsorganisationen und Presse Zugang zu demselben haben (anders als in der Realität). 

Historischer Hintergrund

Seit ca. 500 Jahren siedeln und leben die zwei Volksstämme der Hutu und Tutsi in dem heute als Ruanda bekannten Gebiet im östlichen Teil von Zentralafrika. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich eine aus einem Tutsi-Clan stammende Königsdynastie durch und errichtete das Königreich Ruanda, einen Staat. In ihrer Machtposition begannen sie, gesellschaftliche Unterschiede zwischen Hutu und Tutsi zu institutionalisieren (dazu sogleich).

Im Zuge der Kolonialisierung Afrikas, in der europäische Großmächte außereuropäisches Land besetzten, um eine auf Ausbeutung und Gewalt basierende Kolonialherrschaft zu etablieren, wurde das Königreich Ruanda 1890 vertraglich dem deutschen Reich zugesprochen. Seitdem gehörte es offiziell zum sogenannten “Deutsch-Ostafrika”, gemeinsam mit den Gebieten der heutigen Staaten Tansania und Burundi.

Die deutschen Kolonialist*innen brachten eine menschenfeindliche (und heute längst widerlegte) Ideologie in die Kolonien: die Rassenlehre. Grundlage dieser menschenfeindlichen Ideologie war die Annahme, dass die ‘europäische’ Identität den Gipfel der Zivilisation bildete und somit allen anderen Völkern überlegen sei. Die geographische Herkunft diente als Rechtfertigung für die sogenannte europäische ‘Vorherrschaft’. Dementsprechend  wurde die vermutete ‘Herkunft’ auch zur strukturellen Grundlage der von den Kolonialherr*innen verbreiteten Volksgruppen: Diejenigen, die aus dem Norden eingewandert und somit mit den europäischen Völkern verwandt seien und diejenigen, die bei denen das nicht der Fall sei.

Diese Rassenlehre übertrugen sie auch auf die Hutu und Tutsi, um die europäische Kolonialherrschaft zu rechtfertigen. Ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellte man damals den Tutsi, aus der Nilgegend zu stammen, während die Hutu als schon immer in Zentralafrika ansässig gewesen sein sollen und damit nicht zu Europa zugehörig eingestuft wurden. Das führte dazu, dass lokale Mitglieder der herrschenden Tutsi-Klasse mit deutschen Kolonialbeamt*innen in der Verwaltung zusammenarbeiteten, während die Hutu  als Bäuer*innen die niederen Arbeiten in der Kolonie verrichten mussten. Aufstände der Hutu wurden von den Kolonialist*innen mithilfe der Tutsi niedergeschlagen.

Hutu-Revolution und Staatsgründung

Im Laufe des Ersten Weltkrieges verlor das Deutsche Reich die Kontrolle über Ruanda und Burundi an Belgien. Seitdem ist Französisch Amtssprache in Ruanda.

Die belgische Verwaltung führte unter anderem Volkszählungen und Ausweispapiere ein, die verpflichtend die Zugehörigkeit zu einer der Bevölkerungsgruppen Ruandas enthielten. Dadurch verschärften sich die ethnischen Spannungen nur noch weiter. Ab 1959 kam es zu einer Revolte der Hutu gegen die Tutsi-Eliten im Königreich Ruanda sowie die belgische Fremdherrschaft. Es gelang ihnen, einen Großteil der Tutsi in die Nachbargebiete Burundi und Uganda zu vertreiben. Auch der letzte ruandische König sah sich gezwungen, ins Exil zu gehen. Damit endete die politische Bedeutung der Tutsi in Ruanda.

1960 wurden mit belgischer Zustimmung zum ersten Mal Wahlen in Ruanda durchgeführt. Hierbei zementierte sich die neu gewonnen politische Dominanz der Hutu-Volksgruppe, deren Mitglieder sich überwiegend in der neu gegründeten „Partei der Unabhängigkeitsbewegung der Hutu“ organisierten und im ganzen Land große Mehrheiten gewonnen hatten. Mit diesem Momentum im Rücken erklärten ihre Politiker*innen im Jahre 1961 die Unabhängigkeit Ruandas von Belgien. 1962 vollendete sich die Staatsgründung mit belgischer und UN-Zustimmung und Ruanda wurde erstmals zu einer Republik. Gleichzeitig vollzog sich dadurch eine Teilung Ruandas von seinem heutigen Nachbarstaat Burundi.

Die ersten Jahre der neuen Republik, die sich schnell als Einparteiensystem erwies, waren geprägt von einer Guerilla-Kriegsführung durch verbleibende rebellische Unterstützer*innen einer Tutsi-Monarchie als neuer Staatsform sowie Vergeltungs- und Vertreibungsaktionen gegen Mitglieder der Tutsi-Minderheit, welche unter dem Generalverdacht stand, mit den Rebell*innen zu sympathisieren. Mindestens 20.000 Tutsi fielen diesen Gewalttaten in den 60er-Jahren zum Opfer, unzählige flohen. Ein großer Teil der vertriebenen Tutsi ließ sich in Burundi nieder, wo sie mit der Zeit einige Schlüsselrollen in Politik und Militär besetzten. Diejenigen, die verblieben, mussten immer wieder als Sündenböcke für alle möglichen politischen Missstände im neuen Ruanda herhalten. Der in den Rassenlehren der deutschen Besatzer*innen angelegten Ideologie einer Überlegenheit der Tutsi wurde nun mit einer neuen Philosophie seitens jetzt herrschender extremistischer Hutu begegnet, die unter dem Namen „Hutu-Power“ seitdem häufig ein wesentlicher Faktor in der ruandischen Politik war.

Die neue Republik erwies sich schnell als Einparteiensystem, in dem die Tutsi faktisch kein Mitspracherecht hatten. Die ersten Jahre waren geprägt von einer Guerilla-Kriegsführung durch verbleibende Rebellen der Tutsi, die wieder eine Tutsi-Monarchie als Staatsform wollten. Darauf antwortete die Regierung mit Vergeltungs- und Vertreibungsaktionen gegen Mitglieder der Tutsi-Minderheit, welche unter dem Generalverdacht standen, mit den Rebell*innen zu sympathisieren. Mindestens 20.000 Tutsi fielen diesen Gewalttaten in den 60er-Jahren zum Opfer, unzählige flohen. Ein großer Teil der vertriebenen Tutsi ließ sich in Burundi nieder, wo sie mit der Zeit einige Schlüsselrollen in Politik und Militär besetzten. Diejenigen, die verblieben, mussten immer wieder als Sündenböcke für alle möglichen politischen Missstände im neuen Ruanda herhalten. Der in der Rassenlehre der deutschen Besatzer*innen angelegten Ideologie, die Tutsi seien überlegen, wurde nun mit dem anderen Extrem begegnet. Die jetzt herrschenden extremistischen Hutu hatten eine Philosophie der eigenen Überlegenheit, die unter dem Namen „Hutu-Power“ seitdem ein wesentlicher Faktor in der ruandischen Politik war.

Militärdiktatur und Bürgerkrieg

Die herrschende und mittlerweile einzige erlaubte „Partei der Unabhängigkeitsbewegung der Hutu“ wie auch der neue ruandische Präsident Grégoire Kayibanda führten viele der diskriminierenden Politiken der ehemaligen Kolonialherrscher*innen fort. Tutsi und Hutu wurden weiterhin als zwei gänzlich unterschiedliche ethnische Gruppen begriffen, es änderte sich lediglich, welche näher an der Macht stand. Nicht zuletzt die ethnischen Ausweispapiere blieben in Benutzung.

Als in den 70er-Jahren im Nachbarland Burundi wiederum Hutu durch die Hand von Tutsi Opfer von Gewalttaten wurden, hatte das auch eine erneute Welle der Vergeltung gegen Tutsi in der ruandischen Bevölkerung zur Folge. Präsident Kayibanda hielt es in dieser Lage für politisch ratsam, sich aus der Angelegenheit herauszuhalten, um keine Seite übermäßig gegen sich aufzubringen. Den daraus resultierenden Unmut extremistisch eingestellter Hutu-Vertreter*innen nutzte der damalige Verteidigungsminister Juvénal Habyarimana 1973 für einen Militärputsch, mit dem er sich und seine neu gegründete Partei, die „Republikanische Bewegung für Demokratie und Entwicklung“ (kurz MRND) an die Spitze des ruandischen Staates setzte.

Dieser Machtwechsel bedeutete mit Hinblick auf die Situation des Konfliktes zwischen Hutu und Tutsi aber keine Verbesserung. Trotz öffentlicher Beteuerungen des Gegenteils besetzte der neue Präsident Habayarimana sämtliche einflussreichen Posten in Politik und Militär mit Angehörigen seines persönlichen Umfeldes. Da auch er den Hutu angehörte, änderte sich nichts an der Stellung der Tutsi als gesellschaftliche Minderheit.

Eine Mehrzahl an Faktoren sorgte jedoch dafür, dass den Tutsi entstammenden Rebellengruppen an Macht gewinnen konnten. Zum einen brach über die Republik Ruanda, Mitte der 80er-Jahre eine Wirtschaftskrise herein, die das Regime von Habayarimana schwächte. Hinzu kam, dass mittlerweile eine äußerst beträchtliche Zahl an Tutsi im Ausland organisierte Exil-Gemeinschaften gebildet hatten und – wie vom ruandischen Regime korrekterweise befürchtet wurde – planten, in ihre ehemalige Heimat Ruanda zurückzukehren. Am 1. Oktober 1990 kam es also zum Angriff der „Ruandischen Patriotischen Front“ (PRF), einer Tutsi-Rebellenarmee, auf den ruandischen Staat. So begann in Ruanda der Bürgerkrieg.

Zu diesem Zeitpunkt, als der Kalte Krieg jüngst vorbei war und die alte Aufteilung der Welt in Ost und West nicht mehr galt, waren viele Staaten darauf bedacht, sich in den sich neu bildenden Einflusssphären geopolitisch und strategisch sinnvoll zu positionieren. Frankreich, das keine Kolonialmacht mehr war, hatte unter anderem die Strategie, auf seinen weltweiten kulturellen Einfluss zu setzen, um sein erhebliches diplomatisches Gewicht auch zukünftig zu behalten. Ein wesentlicher Faktor dafür war der beträchtliche Teil der Welt, in dem aufgrund der kolonialen Vergangenheit Französisch gesprochen wurde und die französische Kultur nach wie vor große gesellschaftliche Bedeutung hatte. Diese Gebiete wurden und werden als „Frankophon" bezeichnet. Aufgrund der Fortwirkungen aus belgischer Mandatszeit gehörte auch das Ruanda der 90er-Jahre zu diesem Kreis. Deshalb ließ sich Frankreich neben Belgien und dem afrikanischen Nachbarstaat DR Kongo (damals Zaïre) auf den Wunsch Habyarimanas um Unterstützung in diesem Bürgerkrieg ein. Vordergründig versprach dieser im Gegenzug weitgehende politische Reformen hin zu einer Demokratisierung des Staates.

Im Krieg konnten die Rebellen der PRF einige Erfolge im rohstoffreichen Norden des Landes verzeichnen. Häufig wurde diesen Erfolgen jedoch mit von den staatlichen Stellen geförderten Racheakten gegen zivile Tutsi begegnet. Der Hass auf die Tutsi erreichte ein weiteres Mal neue Höhen in der ruandischen Politik, da diese jetzt neue Parteien zuließ, in denen sich Hutu-Extremisten, angestachelt durch den Bürgerkrieg, organisieren konnten.

1993 wurde zwischen den Regierungsparteien und der PRF in der tansanischen Stadt Arusha ein brüchiger Frieden verhandelt, der durch eine UN-Mission (die United Nations Assistance Mission for Rwanda, kurz UNAMIR) gesichert werden sollte.

Der Genozid

Der Frieden von Arusha und die UNAMIR schafften es leider nicht, Ruanda nachhaltig zu befrieden. Neue extremistische Kräfte, die der “Hutu-Power”-Ideologie anhängen, hatten nach wie vor großen Einfluss. Große Medien und Politiker*innen riefen öffentlich zur Ausgrenzung und Ermordung von Tutsi auf. Zentraler Bestandteil dieser Rhetorik war es, den Tutsi vorzuwerfen, selbst die Ausrottung der Hutu zu planen. Damit konnte jede geforderte Gewalt gegen Tutsi als Selbstverteidigung dargestellt und auch gerechtfertigt werden. In dieser Zeit bildeten sich durch eine vom Staat geförderte Bewaffnung der Bevölkerung außerdem mehrere extremistische Hutu-Milizen.

Im April 1994 wurde das Flugzeug des Präsidenten Juvéal Habyarimana von Raketen zum Absturz gebracht. Alle Insassen inklusive des Präsidenten selbst kamen ums Leben. Wer für diesen Angriff verantwortlich war, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Von Tutsi-Rebell*innen, über Hutu-Extremist*innen, die dem Präsidenten vorwarfen, überhaupt mit Tutsi zu verhandeln, bis hin zu Verdächtigen aus dem eigenen Umfeld Habyarimanas gibt es viele Theorien, die aber alle nicht bewiesen sind.

Klar ist hingegen, welche Auswirkungen der Tod des Präsidenten in Ruanda nach sich zog. Bereits vor dem Tag des Abschusses haben Mitglieder der Hutu-Milizen Todeslisten mit den Namen prominenter Tutsi vorbereitet. Auf Grundlage dieser Listen begannen noch am selben Tag in der ruandischen Hauptstadt Kigali durch Militärangehörige ausgeführte gezielte Ermordungen an diesen Menschen. In dieser Nacht starben auch mehrere belgische Blauhelmsoldaten der UNAMIR, woraufhin sich ein wesentlicher Teil der UN-Sicherheitskräfte aus dem Land zurückzog und so dem Völkermord ermöglichten, ungebremst seinen Lauf zu nehmen. 

Die Tutsi in Ruanda wurden daraufhin durch die Behörden angewiesen, sich in öffentlichen Gebäuden zu verstecken. Gleichzeitig ergingen über den gesamten Verwaltungsapparat Weisungen an militärische und zivile Entscheidungsträger*innen sowohl mithilfe des Militärs als auch mithilfe der bewaffneten Hutu-Milizen, systematisch ebenjene Tutsi in ihren vermeintlichen Verstecken zu ermorden. Es ging den Befehlshaber*innen der neuen Übergangsregierung dabei ausdrücklich um die Ausrottung der Tutsi als Volksgemeinschaft. Etwa 100 Tage dauerte das Morden und kostete letztlich die Leben von 800.000 Tutsi, pro-demokratischen Hutu-Aktivist*innen und auch Twa (eine dritte, sehr kleine Volksgruppe in Ruanda). 

Hinweis: Die Taten des ruandischen Regimes wurden durch den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda bereits als Völkermord eingestuft und einige der handelnden Akteur*innen auch bereits für dessen Durchführung verurteilt. Gehen Sie in der Vorbereitung wie auch der Debatte während der Konferenz davon aus, dass ein Völkermord im Sinne der UN-Völkermordkonvention vorliegt. Dieser Streitpunkt ist nicht Inhalt der Verhandlungen vor dem IGH von MUNBW 2025!

Die Rolle Frankreichs

Im Juni 1990 hielten Frankreich und einige afrikanische Länder, darunter Ruanda, einen gemeinsamen Gipfel ab. Vordergründig ging es um Entwicklungshilfe und fortschreitende Demokratisierung auf dem afrikanischen Kontinent. Am Rande dieses Gipfels verhandelten der französische Präsident François Mitterrand und sein ruandischer Amtskollege Juvénal Habyarimana eine Partnerschaft. Mehreren Quellen zufolge hatten diese beiden Männer auch eine sehr persönliche Verbindung zueinander, die von vielen freundschaftlichen gegenseitigen Besuchen geprägt war. Die Partnerschaft, die sie auf besagtem Gipfel ausarbeiteten, wurde die Grundlage, auf der Frankreich in Ruanda in den kommenden Jahren bis hin zum Völkermord auf verschiedene Arten Präsenz zeigen sollte.

Der Deal war im Wesentlichen: Militärische Unterstützung sowie Entwicklungshilfe durch Frankreich für das Regime in Ruanda, welches dafür im Gegenzug konkrete politische Reformen zusagte. Aus internen Dokumenten der damaligen ruandischen Regierung wissen wir heute, dass Präsident Habyarimana zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hatte, seine Versprechungen umzusetzen. Es ist außerdem davon auszugehen, dass für Frankreich geopolitische Interessen – vornehmlich die Stärkung „frankophoner“ Länder in Afrika – mindestens auch Motiv für dieses Übereinkommen waren.

Schon im Jahr 1990 hatte sich die Regierung Habyarimanas mehrere Menschenrechtsverletzungen gegen die Tutsi-Minderheiten im Land zu Schulden kommen lassen. Diese Tatsache und eine Regierung, die überhaupt nur durch einen Militärputsch ins Amt gekommen war, wären schon damals vier Jahre vor dem Völkermord Anlass dafür gewesen, an der Aufrichtigkeit der ruandischen Seite des Abkommens zu Zweifeln. Tatsächlich stand die französische Öffentlichkeit Mitterrands Vorhaben bezüglich Ruanda zu der Zeit äußerst kritisch gegenüber. Dessen Regierung vernahm diese Kritik selbstverständlich, entschied sich aber, sie nicht zu beachten.

Was außerdem bereits klar war, als Frankreich und Ruanda ihre Partnerschaft verhandelten, war, dass die Militärhilfe auch sehr bald direkt in Anspruch genommen werden würde. Bereits 1990 hatte sich die PRF formiert, und die ruandische Regierung hatte deren Angriff vorhergesehen, welcher im Oktober desselben Jahres den Bürgerkrieg einläutete.

Die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich erlaubten es Habyarimanas Regime, sich in der Auseinandersetzung mit den Tutsi-Rebellen als legitime und rechtmäßige Regierung Ruandas zu positionieren.

Die militärische Unterstützung Frankreichs beinhaltete die Stationierung französischer Soldaten in Ruanda, die Ausbildung ruandischer Sicherheitskräfte sowie die Lieferung von Waffen und sonstiger militärischer Ausrüstung.

Der beginnende Bürgerkrieg änderte nichts an Frankreichs Unterstützung. Die französischen Soldaten im Land griffen zwar nicht direkt in Kämpfe ein, aber die Ausbildung und Lieferung von Ausrüstung nahmen nicht ab. Und das, obwohl schon recht früh im Jahre 1991 die Truppen Habyarimanas unfassbare Gnadenlosigkeit gegenüber den Tutsi demonstrierten, indem sie im Rahmen einer Operation in PRF-Gebiet mehrere Gruppen von zivilen Bäuer*innen ohne militärische Notwendigkeit massakrierten.

Frankreich ergriff die Seite Habyarimanas im Bürgerkrieg wohl auch deshalb, weil die PRF von Uganda unterstützt wurden, welches als ehemalige englische Kolonie Teil des Commonwealth war und ist. Ein Sieg der Tutsi-Rebellen hätte also zweifelsohne den Fortbestand der „Frankophonie“ in Ruanda gefährdet. Nichtsdestotrotz lief der Bürgerkrieg für die PRF so erfolgreich, dass Verhandlungen aus französischer Sicht ab 1992 unvermeidbar schienen und die französische Regierung alle Kriegsparteien einschließlich ihres Verbündeten dazu drängte, miteinander zu verhandeln, was schließlich zu dem Frieden von Arusha und der UNAMIR-Mission führte. Mit Beginn der UN-Mission zogen sich die französischen Truppen aus Ruanda zurück.

Die Vorbereitungen des Völkermordes gingen aber nicht erst im Jahr 1994 nach Frankreichs Abzug aus der Region los. Bereits während des Bürgerkrieges wurden über gezielte Anti-Tutsi Propaganda in Politik und Medien die ideologische Saat gesät und außerdem die Volksmilizen, die später die Ermordungen an den Tutsi mit ausführen sollten, gezielt bewaffnet – unter anderem mit aus Frankreich gelieferten Waffen.

Frankreich hatte das ruandische Regime also ermächtigt, im Bürgerkrieg zu bestehen. Es rüstete außerdem die Kräfte aus, die mit dieser Ausrüstung einen Völkermord begehen konnten. Durch das Drängen auf Verhandlungen und den brüchigen Frieden von Arusha setzte es außerdem die Grundbedingungen, unter denen die Hutu die Tutsi und ihre anderen Gegner in Fallen locken und systematisch ermorden konnten.

Es muss ausdrücklich betont werden, dass kein französischer Akteur in Ruanda sich selbst an völkerrechtswidriger Gewalt beteiligt hat oder in die Planung dieses Verbrechens unmittelbar eingebunden war.

Aus internen Dokumenten geht jedoch hervor, dass die französische Führung inklusive Staatspräsident Mitterrand selbst keinesfalls im komplett Unklaren darüber war, was in Ruanda vor sich ging. Es war nicht so, wie teilweise in der Öffentlichkeit damals angenommen, dass Mitterrand der Selbstdarstellung Habyarimanas als friedliebender Reformer naiv geglaubt hätte. Aus internen Besprechungen geht hervor, dass seine militärischen Berater ihm während der Verhandlungen in Arusha schilderten, dass der Präsident Ruandas keinen Kriegsausgang wirklich akzeptieren würde, der nicht die vollständige Vernichtung der PRF beinhaltete. Daneben ist über die damals auch schon in der Öffentlichkeit kritisierten Menschenrechtsverbrechen der ruandischen Regierung hinaus überliefert, dass Mitarbeiter der französischen Botschaft in Ruanda detailliert Bericht darüber erstatteten, wie Tutsi gezielt verhaftet, befragt und erschossen wurden und charakterisierten das Vorgehen der Hutu als „Jagd, die sich zu einem Massaker ausweiten könnte“. Dennoch bewaffnete Frankreich während des Bürgerkrieges weiter die Hutu-Kräfte, bildete sie aus und überließ das Land danach sich selbst.

Völkerrechtliche Hintergründe

Was ist ein Feststellungsurteil?

Ruanda begehrt, dass der IGH feststellt, dass das Handeln bzw. Unterlassen Frankreichs zwischen 1990 und 1994 eine Teilnahme am Völkermord im Sinne des Art. III lit. e) der UN-Völkermordkonvention darstellt.

Feststellungsurteile sind Urteile, die im Hauptverfahren eines Gerichtsprozesses ergehen. Sie sind nicht darauf gerichtet, dass ein Gericht eine gewisse Handlung erzwingt oder eine bestimmte Rechtsfolge setzt, sondern nur darauf, dass das Gericht zu den widerstreitenden Auffassungen der beiden Parteien Stellung bezieht und feststellt, welche richtig(er) ist. 

Häufig ersuchen Parteien Feststellungsurteile, wenn der fragliche Sachverhalt schon weit in der Vergangenheit liegt und sich erledigt hat. Häufig sind Verletzungen von Rechten schnell vorbei und es ist nicht möglich, rechtzeitig ein Gericht einzuschalten, damit dieses Maßnahmen erlässt, die die Verletzung bzw. ihre Fortdauer verhindern. Trotzdem können Parteien ein Interesse daran haben, dass nachträglich festgestellt wird, dass eine bestimmte Handlung bestimmte Rechte verletzt hat. 

Ein möglicher Grund ist, dass eine Streitpartei für eine mögliche Rechtsverletzung entschädigt werden möchte. Voraussetzung für eine solche Entschädigung ist dann, dass die Verletzung erst einmal festgestellt wird. Die Entschädigung kann dann je nach der jeweiligen Gerichtsordnung im selben Verfahren oder gegebenenfalls vor einem anderen Gericht eingeklagt werden. Außerdem kann die Feststellung, dass ein bestimmtes Verhalten rechtswidrig ist, auch notwendig sein, wenn die realistische Möglichkeit besteht, dass sich die Situation wiederholen wird, solange die andere Seite davon ausgeht, damit im Recht zu sein. Es kann auch sein, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, dass ein Rechtsstreit durch das letzte Wort eines Gerichts entschieden wird.

Vor dem IGH, der häufig noch länger braucht als die meisten nationalen Gerichte, ist die große Mehrheit der Verfahren auf Feststellungsurteile gerichtet. Der IGH kann auch auf Grundlage der Feststellung von Völkerrechtsverletzungen anordnen, dass die streitenden Staaten einander Entschädigungen in Geld zahlen müssen.

Der IGH bei MUNBW 2025 muss also auf Antrag Ruandas feststellen, ob Frankreich gegen das Verbot, an einem Völkermord teilzunehmen, verstoßen hat. Sollte er das bejahen, würde Ruanda dafür vermutlich auch eine angemessene Entschädigung einklagen. Bei MUNBW 2025 soll aber nur die erste Frage, nämlich ob die Völkerrechtsverletzung überhaupt vorliegt, verhandelt werden.

Rechtslage 

Seit den Nürnberger Prozessen, in denen Nationalsozialisten für ihre Verbrechen während der Diktatur und des 2. Weltkrieges verurteilt wurden, existieren Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression (Angriffskriege) als internationale Straftaten. Damit gibt es seitdem das Völkerstrafrecht als Untergebiet des Völkerrechts. Anders als sonst im Völkerrecht können auch individuelle Personen für die Verletzung von Völkerstrafrecht angeklagt und verurteilt werden. Das ist zum Beispiel auch nach dem Völkermord in Ruanda vor dem extra hierfür eingerichteten Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda mit einigen der Täter*innen passiert. Tatsächlich ist die Arbeit dieses Gerichts unter anderem die Grundlage dafür, dass 1998 der (allgemeine) internationale Strafgerichtshof (kurz: IStGH) in Den Haag gegründet wurde. In dem Statut zu dessen Gründung, dem „Römischen Statut“ (kurz: IStGHSt), stehen die Regeln des Völkerstrafrechts verbindlich für alle Unterzeichnerstaaten aufgeschrieben. Deshalb bilden die Regelungen aus diesem Statut heutzutage die Grundlage für alle völkerstrafrechtlichen Fragen.

Es gilt: In Verfahren vor dem IStGH können nur einzelne Personen angeklagt werden. Für Klagen gegen ein ganzes Land ist immer der IGH zuständig. 

Dem Tatbestand ‘Völkermord’ oder ‘Beihilfe zum Völkermord’ können nach aktuellem Völkerstrafrecht nicht gesamte Länder, sondern nur Einzelpersonen schuldig befunden werden. In diesem Fall erhalten einzelne Staatsoberhäupter oder Regierungsbeamte gesonderte Verfahren vor dem IStGH. 

Dennoch sind nicht nur einzelne Personen an das Völkerstrafrecht gebunden. Alle Staaten, die die UN-Völkermordkonvention unterzeichnet haben, haben sich gem. deren Art. III dazu verpflichtet, mit den Mitteln ihres eigenen Rechts Völkermord sowie die Teilnahme daran zu bestrafen. 

Wenn also Frankreich als Nation der ‘Beihilfe zum Völkermord’ bezichtigt wird, dann liegt das potenzielle Vergehen darin, dass sie ihre Mittäterschaft nicht anerkennt und Einzelpersonen im eigenen Land dafür nicht verfolgt oder belangt. Damit verletzt sie ihre Verpflichtungen aus der UN-Völkermordkonvention, und kann auch dafür vor dem IGH verklagt werden. 

Indem sich Präsident Macron im Jahr 2021 im Namen Frankreichs für die Handlungen der damaligen Regierung entschuldigte, aber betonte, keine Mittäterschaft am Genozid zu sehen und dadurch, dass kaum Franzos*innen in Frankreich wegen ihrer Rolle im Zusammenhang mit dem Genozid angeklagt oder verurteilt wurden, könnte Frankreich gegen eben diese Pflicht verstoßen, sofern tatsächlich im damaligen Handeln eine Teilnahme am Völkermord zu sehen ist. 

Völkermord

Der Völkermord ist in Art. II der UN-Völkermordkonvention definiert. Er ist ein besonders schweres Massenverbrechen. Besonders verwerflich ist er, weil die Täter*innen nicht nur eine Vielzahl an Opfern treffen wollen, sondern dabei auch systematisch vorgehen und es gezielt darauf anlegen, eine bestimmte Gruppe vollständig oder auch teilweise auszulöschen. Art. II der UN-Völkermordkonvention zählt die möglichen Gruppen auf, gegen die ein Völkermord gerichtet sein kann: national, ethische, rassische oder religiöse. Jede einzelne Tathandlung (das muss nicht unbedingt eine Tötung sein, s. Art. II lit. (b)-(e) UN-Völkermordkonvention) zielt dabei darauf ab, das jeweilige Opfer gerade als Mitglied einer solchen Gruppe zu treffen.

Dadurch, dass dieser besondere Vorsatz, eine Gruppe ganz oder teilweise auszulöschen, Voraussetzung für das Vorliegen eines Völkermordes ist, zeichnen sich Völkermorde häufig durch ein hohes Ausmaß an Planung, einen großen Umfang und vor allem rassistische, fremdenfeindliche oder in sonstiger Weise diskriminierende Hetze und Propaganda der Täter*innen aus.

Ob und inwieweit die systematische Tötung der Tutsi, oppositionellen Hutu und Twa in Ruanda 1994 den Straftatbestand des Völkermordes erfüllt, ist vom IGH von MUNBW 2025 nicht zu bewerten. Dies ist internationaler juristischer Konsens. 

Teilnahme

Neben der Strafbarkeit von Völkermord haben sich die Vertragsparteien der UN-Völkermordkonvention in deren Art. III e) auch darauf geeinigt, die Teilnahme an einem solchen unter Strafe zu stellen. Bei der Teilnahme an einer Straftat handelt es sich um einen Beitrag zu der Haupttat, der so schwer wiegt, dass er selbst eine Straftat darstellt. Das Konzept einer strafbaren Teilnahme ist keine Eigenheit des Völkerstrafrechts, sondern gilt fast universell auf der ganzen Welt und auch in Deutschland. Deshalb galt es lange Zeit als ungeschriebener Grundsatz ohnehin im Völkerstrafrecht, bevor er in Art. 25 Abs. 3 lit. b) und lit. c) IStGHSt aufgeschrieben wurde.

Es gibt mehrere Formen der Teilnahme. Art. 25 Abs. 3 lit. b) IStGHSt regelt die Anstiftung und Art. 25 Abs. 3 lit. c) IStGHSt die Beihilfe. Bei der Anstiftung liegt das strafwürdige Verhalten darin, dass man dadurch, dass man den Haupttäter erst dazu anregt, seine Straftat zu begehen, dafür sorgt, dass diese Tat überhaupt geschieht. Hätte der*die Anstifter*in den*die Täter*in nicht dazu gebracht, die Tat zu begehen, wäre dieses Unrecht nie in die Welt gesetzt worden.

Daneben – und für den vorliegenden Fall deutlich relevanter – gibt es die Beihilfe als weitere Form der Teilnahme. Eine Beihilfe ist strafbar, wenn durch sie die Haupttat unterstützt wurde und die konkrete Ausführung der Haupttat wesentlich beeinflusst worden ist. Es muss sich also immer die Frage gestellt werden, wie eine Haupttat ohne die jeweilige Unterstützung ausgesehen hätte. Wäre sie auch ohne die fragliche Handlung mehr oder weniger unverändert und vor allem gleich schwer ausgefallen, liegt keine strafbare Beihilfe vor.

Ein besonderer Fall der Beihilfe, den Art. 25 Abs. 3 lit. c) am Ende ausdrücklich aufzählt, ist die Bereitstellung der Mittel für die Begehung. Diese Voraussetzung ist sehr eng zu verstehen. Nur, wenn die fraglichen Mittel unmittelbar bei der Ausführung der Tat zum Einsatz kommen, kann ihre Bereitstellung als Beihilfe gesehen werden. Das heißt, dass per se die Lieferung von Waffen bzw. militärischer Ausrüstung an einen Staat, der Völkerrechtsverbrechen begeht, nicht automatisch als Beihilfe gewertet werden kann. Dass eine Armee, deren Mitglieder teilweise Völkerrechtsverbrechen begehen, grundsätzlich mit Ausrüstung eines anderen Staates ausgestattet ist, reicht für sich genommen nicht für eine Beihilfe aus. Es muss vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob die fraglichen Waffen konkret und offensiv eingesetzt wurden, um die einzelnen Taten auszuführen. 

Ob und inwieweit die diplomatische wie militärische Unterstützung des ruandischen Regimes durch Frankreich eine Beihilfehandlung ist, hat der IGH von MUNBW 2025 zu klären.

Objektiver und subjektiver Tatbestand

Um sich eines Verbrechens (und auch eines Völkerrechtsverbrechens) strafbar zu machen, muss ein*e Täter*in den Tatbestand des Verbrechens objektiv und subjektiv erfüllen. Objektiver Tatbestand meint diejenigen Umstände einer Tathandlung, die das Gesetz benennt. Subjektiv ist der Wille des Täters oder der Täterin, in Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Tat durch sein*ihr Tun zu verwirklichen. 

Im Falle der Beihilfe zu einem Völkermord heißt das konkret: Der Völkermord als Haupttat sowie eine ihn unterstützende Beihilfehandlung. Der Tatbestand ist objektiv erfüllt, wenn seine Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Es gab einen Völkermord. Zu überprüfen ist also, ob es eine Beihilfehandlung gegeben hat. 

Daneben muss der Tatbestand subjektiv erfüllt sein. Diese Voraussetzung ist ebenso eine universelle Regel des Strafrechts, mithin verbindliches Völkergewohnheitsrecht. Sie steht aber auch in Art. 30 IStGHSt geschrieben. Nach dessen Abs. 1 müssen also die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen nicht nur überhaupt, sondern vor allem auch vorsätzlich und wissentlich erfüllt worden sein.

Es gibt zwei verschiedene Varianten von Vorsatz (vgl. Art. 30 Abs. 2 lit. a) und b) IStGHSt). Erstens den  direkten Vorsatz, auch Absicht. Dieser liegt vor, wenn es dem*der potenziellen Täter*in gerade darauf ankam, den Erfolg einer bestimmten Tat herbeizuführen. Daneben muss ein wissentliches Element vorliegen. Das tut es gem. Art. 30 Abs. 3 IStGHSt, wenn dem*der Täter*in alle Umstände bekannt sind, die zur Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen dazu gehören oder er*sie diese Umstände als Folge seiner*ihrer Handlungen hätte erkennen müssen.

Zweitens den Eventualvorsatz, auch bedingten Vorsatz. Dieser liegt vor, wenn dem*der Täter*in bewusst war – das heißt, wenigstens für möglich erachtete, dass der Taterfolg die einzige logische Folge seines*ihres Handelns war (wissentliches Element) und dies mindestens billigend in Kauf nahm – auch, wenn er*sie den Erfolg nicht unbedingt herbeiführen wollte.

Bei der Teilnahme an einer Straftat, wie sie im vorliegenden Fall im Raum steht, ist sehr wichtig zu beachten, dass der Vorsatz einschließlich des Wissens sich auf alle Aspekte des Tatbestandes beziehen muss, also sowohl auf die Haupttat (hier: Völkermord), als auch auf die eigene (Anstiftungs- oder, wie hier) Beihilfehandlung.

Ob und inwieweit die Kenntnisse der französischen Regierung von den Vorgängen in Ruanda zwischen 1990 und 1991 Vorsatz und Wissen darstellen, ist vom IGH bei MUNBW 2025 zu klären.

Punkte zur Diskussion

- Hätte das ruandische Regime den Völkermord auch in ähnlicher Form durchführen können, wenn Frankreich es nicht unterstützt hätte?

- Welche Handlungen Frankreichs könnten ggf. entsprechend als Beihilfe zum und somit als Teilnahme am Völkermord gewertet werden?

- Was konnte und was musste Frankreich über die Konsequenzen seiner damaligen Handlungen wissen und reicht das aus, um ihm Vorsatz und Wissen bezüglich einer Beihilfe zum Völkermord vorzuwerfen?

- Welche Rolle spielt in der Debatte obiger Punkte die Beweislage, das heißt, welche Sachumstände wären von welcher der Streitparteien im Prozess zu beweisen, um den Richter*innen die Entscheidungsfindung zu ermöglichen? 

Für die Vorbereitung

Wie Sie sich auf die Konferenz am besten vorbereiten, hängt davon ab, welche Rolle Sie vor dem IGH einnehmen werden.

Als Richter*in eines Landes sind sie zwar Staatsangehörige eines Landes, Sie sind diesem Land aber nicht wie Delegierte politisch verpflichtet, ganz im Gegenteil. Sie sind gemäß Art. 2 IGHSt in Ihrer Rolle als IGH-Richter*innen unabhängig von Ihrem Staat und damit einer besonderen Neutralität verpflichtet. Sie untersuchen den vorgelegten Sachverhalt anhand des geschriebenen und gewohnheitsrechtlich anerkannten Völkerrechts. Sie erarbeiten keine Resolution, sondern debattieren um einen Konsens, den Sie in Gestalt eines Urteils verfassen werden (dazu mehr im Handbuch bzw. in den Quellenangaben). Sie sollten sich dennoch in Grundzügen mit der Position Ihres Staates auseinandersetzen: Ihre Rechtsauffassung kann geprägt sein von den rechtlichen Gegebenheiten in Ihrem Staat. 

Bis auf die formellen Vorgaben ergeben sich hier keine wesentlichen Unterschiede zur Resolutionsdebatte im Gremium. Nur geht es eben nicht darum, gemeinsame Lösungsansätze für ein bestimmtes Problem zu ermitteln, sondern die von den Verfahrensparteien vorgebrachten Argumente abzuwägen und am Ende Position zu beziehen. Auch schreiben Sie in der Vorbereitung keine Arbeits- und Positionspapiere, sondern verfassen einen ersten Entwurf für mögliche Urteilssätze, die Sie später im Gremium diskutieren können (wie sonst operative Absätze). 

Grundsätzlich gilt das Gesagte auch für die Bevollmächtigten – mit dem Unterschied, dass Sie als Vertreter*innen Ihres jeweiligen Staates vor Gericht auftreten und somit nicht neutral, sondern gewollt parteiisch sind. Sie müssen also die Erfolgsaussichten des ruandischen Antrags nur für eine Seite argumentieren können. Dafür ist es allerdings hilfreich, sich auch mit den Gegenargumenten auseinanderzusetzen. In der Vorbereitung sollten Sie sich auf Ihr Eingangsplädoyer konzentrieren, das der Auftakt zu den Verhandlungen vor dem IGH von MUNBW 2025 sein wird. Versuchen Sie, das Gericht von Ihrer Rechtsauffassung zu überzeugen und darauf einzuwirken, welche Inhalte die Debatte im Laufe der Konferenz nehmen wird!

Niemand verlangt, dass Sie ein perfektes Urteil oder Plädoyer produzieren! Wichtig ist, dass Sie sich in der Vorbereitung erste Gedanken machen und sich mit der Materie des doch sehr komplexen Konflikts befassen. Nutzen Sie also gern die Möglichkeit, Ihre Entwürfe einzureichen und sich Feedback und Hilfestellungen von uns einzuholen. Und natürlich erwarten wir von Ihnen keine fundierten juristischen Vorkenntnisse. Sie müssen sich über die aufgeworfenen Punkte hinaus nicht vertieft mit dem Völkerrecht befassen, um an der Debatte teilhaben zu können. 

Deshalb wird für die Verhandlungen vor dem IGH von MUNBW 2025 das Beweismittelverfahren eine wichtige Rolle spielen. Beweismittel in einem gerichtlichen Prozess können sein:

  • Sachverständige, zB ein*e Gutachter*in;
  • Augenschein (alle vor Gericht, also Richter*innen und Bevollmächtigte „schauen sich zusam- men etwas an”, insbesondere Gegenstände oder audiovisuelle Dateien);
  • Parteivortrag, also Vortrag und Vernehmung der Bevollmächtigten vor Gericht;
  • Urkunden (Unterlagen, die rechtliche Aussagekraft vermitteln, zB Regierungskorrespondenz);
  • Zeug*innen (zB ehemalige Botschaftsmitarbeiter*innen).

Während der mündlichen Verhandlungen wird der IGH von MUNBW 2025 neben der Anwendung des Völkerrechts auf die vorgelegte Streitfrage den genauen Sachverhalt ermitteln müssen. So wird Ruanda als Klägerin andere Argumente hervorbringen und Behauptungen aufstellen als die Beklagte, Frankreich, die die Rechtmäßigkeit ihres Handelns verteidigen oder ihr Nichthandeln beweisen wollen wird. Die Richter*innen und Bevollmächtigten können schon vor der Eröffnung der mündlichen Verhandlung (während der Konferenz), aber auch währenddessen beantragen, dass die genannten Beweismittel zu bestimmten Streitpunkten vom Gericht begutachtet, ausgewertet, soweit möglich befragt und diskutiert werden. Sobald ein Beweismittel in den Prozess eingebracht wurde, muss der IGH von MUNBW 2025 es bei der Urteilsfindung berücksichtigen. Möglicherweise erlangen die vor dem Gericht anwesenden auch noch während des Verfahrens Kenntnis von neuen Erkenntnissen im Sachstand, etwa durch Arbeit von Historiker*innenkommissionen oder die Presse, die dem Beweis zugänglich sind. Halten Sie Augen und Ohren auf!

Ob Sie nun an der Wahrheitsfindung interessiert sind oder von Ihrer Auffassung überzeugen wollen: Das Beweismittelverfahren ist ein wichtiger Bestandteil der Simulation des IGH von MUNBW 2025. Überlegen Sie sich bereits in der Vorbereitung, welche Zeug*innen oder Sachverständige Sie laden oder was Sie dem Gericht vorlegen wollen könnten. 

Allgemein gilt: Sollten Sie im Laufe der Vorbereitung unsicher sein, Fragen oder Anregungen haben oder sich Feedback wünschen – scheuen Sie sich nicht, sich zu melden: [email protected].

Abkürzungsverzeichnis

Abs. = Absatz

a.a.O. = am angegebenen Ort

Art. = Artikel

gem. = gemäß (als Verweis auf einschlägige Vorschriften)

IGH = Internationaler Gerichtshof

IGHSt = Statut des Internationalen Gerichtshofs

IStGH = Internationaler Strafgerichtshof

IStGHSt = Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

lit. = Litera (latein), Buchstabe

s. = siehe

sog. = sogenannt

zB = zum Beispiel

Glossar

  • Kalter Krieg: Als “kalter Krieg” wird ein schwerer Konflikt zwischen zwei Staaten beschrieben, der nicht im direkten Gefecht ausgetragen wird. Die Periode der geopolitischen Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, welche vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Auflösung der Sowjetunion dauerte, gilt gemeinhin als der Kalte Krieg der Weltgeschichte. 
  • Guerilla-Kriegsführung: In einem Guerillakrieg setzen kleine, bewaffnete Gruppen in einem Land Taktiken wie Hinterhalte und Sabotage gegen den Feind ein. Häufig handelt es sich um Partisanen oder Widerstandsgruppen, die gegen eine überlegene militärische Macht kämpfen.
  • Commonwealth: Der Begriff "Commonwealth" bezeichnet heutzutage die politische Gemeinschaft von ehemaligen britischen Kolonien, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Führung Großbritanniens zusammenkamen. 

Recherche-Hinweise

Hinweis: Die Fundstellen sind jeweils verlinkt.