– MRR TOP3: Menschenhandelsnetzwerke im internationalen Luftverkehr
Inhaltswarnung
Dieser Gremientext benennt unter anderem die Themen Menschenhandel, Zwangsarbeit und sexueller Ausbeutung. Bei manchen Personen lösen diese Themen starke Emotionen aus. Falls Sie zu den betroffenen Personen gehören, entscheiden Sie bitte selbst, ob Sie gerade in der Lage sind, sich mit dem Thema / diesen Themen zu beschäftigen, ob Sie das lieber zu einem späteren Zeitpunkt tun oder vorher bestimmte Maßnahmen ergreifen wollen.
Zusammenfassung
Mit der zunehmenden globalen Vernetzung rückt der internationale Luftverkehr verstärkt in den Fokus von Kriminellen, die ihn als primären Kanal für Menschenhandel nutzen. Einerseits bietet die Luftfahrt durch geschultes Personal die Möglichkeit, Opfer zu identifizieren und Täter*innen zu stellen. Andererseits birgt die Größe und Schnelllebigkeit der internationalen Luftfahrt die Gefahr, dass Opfer unentdeckt über Grenzen transportiert und in ausbeuterische Verhältnisse gezwungen werden. Mit dem Palermo-Protokoll hat die UN im Jahr 2000 ein Regelwerk verabschiedet, das Menschenhandel international definiert und ächtet. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization, ICAO) erarbeitet spezifische Richtlinien für den Luftfahrtsektor.
Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es jedoch keine global verbindlichen Regulierungen für die Luftfahrtindustrie, was ein großes Problem darstellt, da die Umsetzung von Schutzmaßnahmen von der Freiwilligkeit der Staaten und Unternehmen abhängt. Daher ist es bereits heute notwendig, sich auf internationaler Ebene auf konkrete Ziele sowie deren Umsetzungsstrategien zu verständigen und dabei die unterschiedlichen Positionen der Staatengemeinschaft zu diskutieren, abzuwägen und die bestehenden Schutzlücken zu schließen.
Punkte zur Diskussion
2. Welche konkreten Mechanismen und Protokolle müssen auf internationaler Ebene etabliert werden, um eine sichere und effektive Meldung von Verdachtsfällen durch das Flug- und Bodenpersonal an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu garantieren, ohne dabei die Sicherheit der Opfer oder anderer Passagiere zu gefährden?
3. Wie kann die Staatengemeinschaft den Prozess unterstützen, dass möglichst alle Mitgliedstaaten die universellen Verpflichtungen aus dem Palermo-Protokoll vollständig in nationales Recht umsetzen? Welche Kontrollsysteme können geschaffen werden, um die Diskrepanz zwischen internationaler Rhetorik und nationaler Praxis zu überwinden?
4. Welche Rahmenbedingungen und Anreize müssen von den Vereinten Nationen (United Nations, UN) und den Nationalstaaten geschaffen werden, um öffentlich-private Partnerschaften zwischen Fluggesellschaften, Flughafenbetreibern und Strafverfolgungsbehörden zu fördern und bewährte Modelle der Zusammenarbeit weltweit zu skalieren?
5. Wie kann das Nichtbestrafungsprinzip für Opfer des Menschenhandels im Kontext von Grenzkontrollen und Flughäfen international standardisiert und durchgesetzt werden, um zu verhindern, dass Opfer für Straftaten, die sie unter Zwang begangen haben, kriminalisiert werden?
6. Welche Maßnahmen, Kooperationen oder Programme kann die internationale Staatengemeinschaft ergreifen bzw. anstoßen, um Opfer von Menschenhandel im Nachhinein finanziell, gesellschaftlich oder psychologisch angemessen zu unterstützen?
7. Wie kann der Einsatz von Technologie, insbesondere die Analyse von Passagierdaten, zur Früherkennung von Menschenhandelsmustern genutzt werden, ohne dabei die Grundrechte auf Datenschutz und Privatsphäre der Passagiere unverhältnismäßig zu verletzen?
Einleitung
Der internationale Luftverkehr birgt das Potenzial, Menschen und Märkte weltweit zu vernetzen, wird jedoch auch von kriminellen Netzwerken für den Transport von Opfern des Menschenhandels missbraucht. Die globale Luftfahrt, ein System, das auf Freiheit und Bewegung ausgelegt ist, weist systemische Schwachstellen auf, also Schwachstellen, deren Ursachen ganz grundlegend in der Struktur und dem System der globalen Luftfahrt verankert sind. Diese Defizite werden von Menschenhändler*innen gezielt ausgenutzt, um Opfer über Grenzen hinweg zu transportieren und sie ihrer Freiheit und Würde zu berauben.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Menschenhandel im Luftverkehr so reguliert werden kann, dass er den größtmöglichen Schutz für vulnerable Personen bietet, ohne die globale Mobilität zu gefährden. Dies wird insbesondere dadurch erschwert, dass die internationale Staatengemeinschaft bei der Verbindlichkeit von Gegenmaßnahmen gespalten ist. In diesem Spannungsfeld liegt es in der Hand des Menschenrechtsrats, einen menschenrechtlichen, ökonomisch und geopolitisch nachhaltigen Rahmen für die kommenden Jahrzehnte zu erarbeiten.
Hintergrund und Grundsätzliches
Luftfahrt als Schauplatz von Menschenhandel
Menschenhändler*innen üben oft psychologischen Druck auf ihre Opfer aus, bedrohen sie oder ihre Angehörigen, oder locken sie mit falschen Versprechungen, etwa einer guten Arbeitsstelle oder Heirat, sodass Menschenhandel selbst an einem so belebten Ort wie einem Flughafen oft nur schwer zu erkennen ist. Zudem nutzen Menschenhändler*innen die Tatsache für sich, dass die Kontrollen an Flughäfen primär auf die Flugsicherheit ausgerichtet sind, sich das Flughafenpersonal also primär darauf fokussiert, die Sicherheit während des Fluges sicherzustellen. So gerät die Aufmerksamkeit für andere Arten der Kriminalität, wie etwa Menschenhandel, im Alltag des Flugbetriebes schnell in den Hintergrund.

Internationale Bemühungen durch UN-Organe
Seit der Verabschiedung des Protokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels (Palermo-Protokoll) im Jahr 2000 existiert eine international anerkannte Definition von Menschenhandel. Das Protokoll etablierte außerdem den umfassenden "3-P-Ansatz": Prävention (Prevention), Schutz der Opfer (Protection) und Strafverfolgung der Täter (Prosecution). Artikel 11 verpflichtet die Vertragsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um den Missbrauch gewerblicher Transportunternehmen zu verhindern, und schafft so eine direkte rechtliche Brücke zur Verantwortlichkeit des Luftverkehrssektors.
Die politische Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft zu konkretem Handeln wird durch Resolutionen der UN-Hauptorgane bekräftigt. Der Globale Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels, der in einer Resolution der UN-Vollversammlung (A/RES/64/293) festgehalten ist, dient als zentrales Bekenntnis aller Mitgliedstaaten. Der Sicherheitsrat hat das Thema zunehmend als Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit erkannt. Die Resolutionen S/RES/2331 und S/RES/2388 verurteilen Menschenhandel in bewaffneten Konflikten und identifizieren ihn als Finanzierungsquelle für Terrorgruppen wie IS und Boko Haram.
Im Kern stellt Menschenhandel eine der schwerwiegendsten Verletzungen der Menschenrechte dar, darunter das Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie das Verbot der Sklaverei. Gemäß dem Völkerrecht haben Staaten die Verpflichtung, mit gebührender Sorgfalt zu handeln, um Menschenhandel zu verhindern, Täter*innen zu verfolgen und Opfer zu schützen. Unzureichende Maßnahmen können somit eine Verletzung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen darstellen.
Außerdem gibt es auf Ebene der Vereinten Nationen das Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC) und das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR), die bei der Umsetzung, Forschung und Einhaltung von Menschenrechtsstandards eine zentrale Rolle spielen.
Kriege und andere gewalttätige Konflikte nehmen weltweit zu. Im Jahr 2022 gab es 55 verschiedene Konflikte mit staatlicher Beteiligung, von denen acht als Kriege galten. Inklusive nicht-staatlicher Konflikte handelt es sich um insgesamt 82 Konflikte. Nicht nur die Zahl der Konflikte, sondern auch ihre Dauer nimmt zu. Sie besitzen sowohl einen direkten als auch einen indirekten Einfluss auf das Leben zukünftiger Generationen und müssen daher dringend beendet werden. Zudem drängen akute Krisen wie Kriege oder die Corona-Pandemie langfristige und latente Krisen wie etwa Ernährungssicherheit, Klimakrise oder Energiesicherheit in den Hintergrund.
Aktuelles
Aktuelle Datenlage und Statistik
Jüngste Daten des UNODC zeigen eine alarmierende Entwicklung: Nach einem pandemiebedingten Rückgang stieg die Zahl der weltweit identifizierten Opfer im Jahr 2022 stark an und übertraf das Niveau vor der Pandemie um 25 %. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg der Zahl der Kinder unter den Opfern um ein Drittel innerhalb von drei Jahren. Gleichzeitig hat sich die Zwangsarbeit zur dominanten Form der Ausbeutung entwickelt und damit die sexuelle Ausbeutung als primäres Interesse von Menschenhändler*innen überholt. Letztere bleibt aber auf einem hohen Niveau.


Internationale Leitlinien
Auf operativer Ebene hat die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) detaillierte, aber rechtlich nicht-verbindliche Leitlinien entwickelt. Die ICAO wurde 1944 auf Grundlage des Chicagoer Abkommens gegründet. Anhang 9 des Abkommens empfiehlt den Staaten, Strategien zu implementieren und Personal gezielt zu schulen (Praktiken 8.49 und 8.50). Rundschreiben wie Circular 352 (entwickelt mit dem OHCHR) bieten bereits konkrete Anleitungen für das Training von Kabinenpersonal.
Die fehlende Verbindlichkeit dieser ICAO-Regelungen führt jedoch zu einer globalen Debatte. Während Staaten wie die USA und die EU-Mitglieder auf eine stärkere Regulierung und verbindliche Schulungen drängen, zeigen sich andere einflussreiche Akteure wie China und Russland zurückhaltend. Eine von der Lateinamerikanischen Zivilluftfahrtkommission (Latin American Civil Aviation Commission, LACAC) angeführte Initiative fordert explizit, die empfohlenen ICAO-Praktiken in verbindliche Standards umzuwandeln, um die bestehende Implementierungslücke zu schließen. Diese unterschiedlichen Positionen spiegeln tiefere geopolitische Differenzen über die Verbindlichkeit internationaler Menschenrechtsnormen wider und stellen eine zentrale Herausforderung für eine einheitliche globale Antwort dar:
Nationale Differenzen
So wird die Debatte über Menschenhandel zunehmend von geopolitischen Spannungen überlagert. Während eine Koalition vorwiegend westlicher Staaten auf verbindliche Regeln und transparente Rechenschaftspflicht drängt, nutzen andere einflussreiche Staaten die Rhetorik der Souveränität und der “nationalen Bedingungen”, um sich einer echten Überprüfung zu entziehen. Dies verwandelt grundsätzlich eher technische Organisationen wie die ICAO in politische Arenen. Die scheinbar technische Frage der Verbindlichkeit von Anhang 9 ist in Wirklichkeit ein Stellvertreterkonflikt für eine tiefere Auseinandersetzung über die Verbindlichkeit internationaler Menschenrechtsnormen gegenüber nationalen Interessen.
Probleme und Lösungsansätze
Eine zentrale Ursache für viele Uneinigkeiten im Umgang mit Menschenhandel liegt in der Kluft zwischen einem robusten, aber teilweise nicht-verbindlichen rechtlichen Rahmen und der unzureichenden Umsetzung auf nationaler Ebene. Da bis heute keine global verbindlichen Standards für den Luftfahrtsektor existieren, können Aufsichtsgremien wie die ICAO nur Empfehlungen aussprechen, die von den Staaten unterschiedlich stark befolgt werden.
Personalschulungen
Ein Lösungsansatz liegt in der Stärkung der operativen Kapazitäten. Gut geschultes Kabinen-, Flug- und Bodenpersonal stellt die "erste Verteidigungslinie" dar. Durch ihren direkten Kontakt mit Passagier*innen sind sie in der Lage, verdächtiges Verhalten zu erkennen, wie etwa Personen, die ängstlich wirken, keine Kontrolle über ihre Dokumente haben oder widersprüchliche Angaben zu ihrer Reise machen. Die Effektivität solcher Schulungen hängt jedoch von klaren und sicheren Meldeketten ab. Ohne etablierte Protokolle zur Weitergabe von Informationen an die zuständigen Behörden bleiben Beobachtungen wirkungslos.

Sektorenübergreifende Zusammenarbeit
Darüber hinaus erfordert die Komplexität des Problems eine enge Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Erfolgreiche Modelle basieren auf Partnerschaften zwischen Regierungen, internationalen Organisationen (ICAO, UNODC) und der Luftfahrtindustrie. Ein Fallbeispiel ist die Kooperation des UNODC mit dem Flughafenbetreiber AERODOM in der Dominikanischen Republik, die zur Identifizierung von 77 Opfern führte. Solche Initiativen zeigen, dass konkrete Erfolge möglich sind, wenn alle Akteur*innen koordiniert handeln.
Do No Harm-Prinzip
Alle Maßnahmen müssen von einem opferzentrierten und trauma-informierten Ansatz geleitet sein. Das Prinzip "Do No Harm" (keinen Schaden anrichten) ist hierbei zentral. Dies bedeutet, verdächtige Situationen diskret zu beobachten und keine eigenmächtigen Rettungsversuche zu unternehmen, die das Opfer gefährden könnten. Stattdessen müssen Beobachtungen über etablierte, vertrauliche Kanäle gemeldet werden. Die Einbeziehung von Überlebenden bei der Gestaltung von Richtlinien ("survivor-informed approach") ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen praxisnah und wirksam sind.

Technologiebasierte Opfererkennung
Technologie spielt eine zweischneidige Rolle. Einerseits nutzen Menschenhändler das Internet zur Anwerbung von Opfern. Sie suchen in sozialen Medien, Dating-Apps, Chatrooms und Online-Foren nach potenziellen Opfern, oft gezielt nach vulnerablen Personen, und locken mit falschen Versprechungen von Jobs, Beziehungen oder einem besseren Leben im Ausland. So können sie Opfer isolieren und manipulieren, bevor sie überhaupt physischen Kontakt aufbauen.
Andererseits kann die Analyse von Passagierdaten aber auch helfen, verdächtige Reisemuster zu identifizieren. Letztlich hängt der Erfolg von der Schaffung eines robusten Systems ab, das von der Erkennung an Bord über eine sichere Meldung bis hin zu einer koordinierten Reaktion der Strafverfolgungsbehörden am Boden reicht.
Im Kontext der Technologie drängt sich die Frage des Datenschutzes auf. Im Allgemeinen kann die Schaffung allgemeiner Datenschutzrichtlinien Staaten dabei helfen, ihre eigenen Bestimmungen zu Datenschutz gezielt zu überarbeiten. Hier kann der Menschenrechtsrat die Grundlage schaffen, um zwischen den Interessen Kriminalitätsbekämpfung (insbesondere Menschenhandel) und Privatsphäre effektiv zu vermitteln. Im Speziellen muss jedoch auch darauf geachtet werden, dass - vor allem autoritär geführte - Staaten überspitzte Datenschutzrichtlinien nicht ausnutzen, um unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung Menschenrechte weiter einzuschränken.
Verbindlichkeit von Regelungen
Eine zentrale Herausforderung bei der Verständigung auf Maßnahmen und deren Umsetzung bleibt im Menschenrechtsrat die rechtliche Verbindlichkeit: Da Resolutionen des Rates nicht völkerrechtlich bindend sind, kann das Gremium Staaten nicht zum Handeln zwingen. Daher ist es umso zentraler, Probleme und Herausforderungen klar zu benennen, Lösungen anzubieten und eine möglichst breite Unterstützung unter den Mitgliedstaaten zu erreichen.
Hinweise zur Recherche
Ein guter Ausgangspunkt sind die Webseiten der in diesem Zusammenhang wichtigsten UN-Organisationen, die einen umfassenden Überblick über die Thematik und die internationale Rechtslage bieten. Besonders relevant sind hier das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR). Für den spezifischen Bezug zur Luftfahrt ist die Seite der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) unerlässlich.
Es dauert möglicherweise seine Zeit, bis man sich im Internetauftritt der verschiedenen Organisationen zurechtfindet. Besonders wichtig und empfehlenswert sind daher vor allem einige Schlüsseldokumente. Diese sind auch im Quellenverzeichnis verlinkt:
- Das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels (Palermo-Protokoll) ist das fundamentale völkerrechtliche Instrument und definiert das Verbrechen des Menschenhandels. Ob dieses Protokoll von einem Staat ratifiziert, also offiziell und rechtsverbindlich bestätigt, und umgesetzt wurde, ist ein zentraler Indikator für die Haltung eines Staates. Besonders wichtig sind Artikel 3 und 11.
- Der jährlich erscheinende „Trafficking in Persons Report“ (TIP Report) des US-Außenministeriums. Dieser Bericht ist eine der umfassendsten Quellen, um die konkreten Maßnahmen, Defizite und die politische Haltung fast aller Länder der Welt zu analysieren. Er stuft Staaten in verschiedene Kategorien („Tiers“) ein und begründet diese Einstufung detailliert.
- Der ICAO Circular 352, der in Zusammenarbeit mit dem OHCHR entwickelt wurde, enthält die detaillierten Leitlinien für die Schulung von Kabinenpersonal. Es zeigt, welche Handlungsempfehlungen es bereits gibt und deutet darauf hin, welche noch gänzlich fehlen oder noch nicht konkret genug vereinbart wurden.
Um die spezifische Position des zu vertretenden Staates zu ermitteln, ist es ratsam, nach einem offiziellen „Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels“ zu suchen. Viele Länder haben solche Strategiepapiere veröffentlicht, die Aufschluss über Prioritäten und Maßnahmen geben. Diese finden sich oft auf den Webseiten der nationalen Innen-, Justiz- oder Außenministerien. Eine gezielte Suche nach den englischen Begriffen „National Action Plan Human Trafficking“ in Verbindung mit dem Ländernamen ist meist erfolgreich.
Sollte dies nicht zum Ziel führen, kann man die Datenbanken der UN nach offiziellen Statements des Landes durchsuchen, die in Debatten der Generalversammlung oder des Menschenrechtsrats abgegeben wurden. Als letzte Möglichkeit können Auslandsvertretungen wie Botschaften oder Konsulate kontaktiert werden. Eine höfliche E-Mail mit konkreten Fragen zum Standpunkt des Landes bezüglich der ICAO-Regularien oder internationaler Kooperation und eine Erwähnung, dass die Recherche im Rahmen einer MUN-Konferenz erfolgt, kann oft zu sehr präzisen und aktuellen Informationen führen.
Glossar/Lexikon
3-P-Ansatz: Eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels, die sich auf die drei Säulen Prävention (Prevention), Schutz der Opfer (Protection) und Strafverfolgung der Täter*innen (Prosecution) stützt.
Chicagoer Abkommen (Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt): ein völkerrechtlicher Vertrag, der 1944 in Chicago unterzeichnet wurde. Er legte die Grundprinzipien und Regeln für den internationalen Luftverkehr fest und führte zur Gründung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). In seinen 19 Anhängen sind detaillierte technische Standards und Richtlinien für verschiedene Aspekte des Luftverkehrs enthalten.
Geopolitik: beschäftigt sich damit, wie die Geografie eines Landes dessen Politik und Beziehungen zu anderen Staaten beeinflusst. Es wird analysiert, wie die geografische Lage, etwaige Nachbarstaaten oder die Größe eines Landes, dessen Macht und Entscheidungen in der Welt mitbestimmen.
ICAO (Internationale Zivilluftfahrtorganisation): Eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die für die Festlegung von internationalen Standards und Regelungen für die zivile Luftfahrt zuständig ist.
LACAC (Lateinamerikanische Zivilluftfahrtkommission): Eine regionale Organisation, die die Zusammenarbeit und Koordination in der Zivilluftfahrt zwischen den lateinamerikanischen Staaten fördert.
Menschenrechtsrat: Das zentrale Gremium der Vereinten Nationen, das für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte weltweit zuständig ist. Er besteht aus 47 Mitgliedstaaten.
Nichtbestrafungsprinzip: Ein Rechtsgrundsatz, der besagt, dass Opfer von Menschenhandel nicht für Straftaten bestraft werden sollten, die sie als direkte Folge ihrer Ausbeutung oder unter Zwang begangen haben (z.B. illegale Einreise, Schwarzarbeit oder Prostitution).
OHCHR (Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte): Das führende Organ der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte, das sich für die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards einsetzt.
Opferzentrierter Ansatz: Ein Vorgehen, bei dem die Rechte, Bedürfnisse und die Sicherheit der Opfer von Straftaten in allen Phasen eines Verfahrens (von der Identifizierung bis zur Wiedereingliederung) in den Mittelpunkt gestellt werden.
Palermo-Protokoll: Ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Es ist das wichtigste internationale Rechtsinstrument zur Bekämpfung des Menschenhandels und liefert die erste international anerkannte Definition.
Prävention: Maßnahmen und Strategien, die darauf abzielen, negative Entwicklungen oder schädliche Ereignisse zu vermeiden, bevor sie eintreten, indem sie die Ursachen und Risikofaktoren systematisch angehen.
Resolution: Eine formelle Willensbekundung eines Gremiums der Vereinten Nationen (z.B. Generalversammlung oder Sicherheitsrat). Resolutionen können, je nach Gremium und zugrundeliegender Satzung des jeweiligen Gremiums, rechtlich bindend oder empfehlend sein. Rechtlich bindend sind in der Regel ausschließlich jene, die vom Sicherheitsrat verabschiedet wurden.
Sicherheitsrat: Eines der Hauptorgane der Vereinten Nationen, das die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt. Seine Resolutionen können für alle Mitgliedstaaten bindend sein.
Stellvertreterkonflikt: Eine indirekte Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Großmächten, die ihre Rivalität in einem Gremium oder einer von diesem Konflikt primär nicht betroffenen Region austragen, anstatt direkt in einen Konflikt einzutreten.
UNODC (Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung): Eine Organisation der Vereinten Nationen, die weltweit führend im Kampf gegen illegale Drogen und internationale Kriminalität, einschließlich Menschenhandel, ist.
Völkerrecht: Die Summe aller Rechtsnormen, die die Beziehungen zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten (wie internationalen Organisationen) regeln.
Vulnerable Personen: Personen, die aufgrund ihrer persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Situation einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Ausbeutung, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen zu werden. Solche Personengruppen können z.B. Migrant*innen, Kinder, Menschen in Armut, Frauen oder Personen mit Behinderungen sein.
Wichtige Dokumente und Quellen
- Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC): Global Report on Trafficking in Persons 2024, Dezember 2024. (https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/glotip/2024/GLOTIP2024_BOOK.pdf ). Dies ist der wichtigste Bericht, um die aktuelle globale Lage zu verstehen. Er liefert die entscheidenden Zahlen und Fakten, die in der Debatte als Argumente genutzt werden können. Alleine die Seiten 3-21 bieten viele aussagekräftige Fakten und Diagramme, die eine gute Grundlage für stichhaltige Argumente während der Konferenz bilden. (Englisch)
- Vereinte Nationen: Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels (Palermo-Protokoll). Angenommen durch Resolution 55/25 der Generalversammlung, 15. November 2000. (https://www.ohchr.org/sites/default/files/Documents/ProfessionalInterest/ProtocolonTrafficking.pdf ) Das ist das grundlegende Völkerrechtsdokument zum Thema. Es definiert, was Menschenhandel ist und wozu sich die Staaten verpflichtet haben. (Englisch)
- US-Außenministerium: Trafficking in Persons Report. (https://www.state.gov/reports/2025-trafficking-in-persons-report ). Der Menschenhandelsbericht des US-Außenministeriums, der alle Staaten der Welt nach ihren Bemühungen gegen Menschenhandel einordnet. Er stellt also eine sehr gute Grundlage dar, die Position des eigenen Staates zu diesem Thema zu recherchieren. (Englisch)
- Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Welttag gegen Menschenhandel. (https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/294452/welttag-gegen-menschenhandel ) Die bpb bietet einen hervorragenden und leicht verständlichen Einstieg in die Thematik. Dieser und ähnliche Artikel sind gut recherchiert, auf Deutsch und fassen die wichtigsten Probleme und Zusammenhänge zusammen, ohne dass man sich durch lange UN-Dokumente arbeiten muss. (Deutsch)
- Vereinte Nationen, Generalversammlung: Globaler Aktionsplan der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Menschenhandels (A/RES/64/293), 30. Juli 2010. (https://www.refworld.org/legal/resolution/unga/2010/en/89704 ). Dieser Aktionsplan ist der politische Rahmen, in dem sich alle Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Vorgehen verpflichten. Er ist nützlich, um die allgemeine Strategie der UN zu verstehen. (Englisch)
- Vereinte Nationen, Sicherheitsrat: Resolution 2331 (2016) zum Thema Menschenhandel in bewaffneten Konflikten (S/RES/2331), 20. Dezember 2016. (https://www.refworld.org/legal/resolution/unsc/2016/en/115155 ). Diese Resolution ist wichtig, weil sie Menschenhandel mit Terrorismus und internationaler Sicherheit in Verbindung bringt. Sie zeigt, warum das Thema nicht nur ein soziales, sondern auch ein sicherheitspolitisches Problem ist. (Englisch)