– MRR TOP3: Generationengerechtigkeit und Menschenrechte
Inhalte mit besonderem Triggerpotential: Krieg, Klimawandel, Pandemie
Kurzzusammenfassung
Entscheidungen von heute haben direkte Auswirkungen auf das Leben zukünftiger Generationen. Die Verantwortung, ihnen eine gerechte und lebenswerte Zukunft ermöglichen zu wollen, ist ein zentraler Teil der Arbeit der Vereinten Nationen (UN) und macht es notwendig, diese in heutige politische Entscheidungen zu integrieren. Die Verantwortung, die die Vereinten Nationen (United Nations, UN) gegenüber zukünftigen Generationen haben, ist fest in der Charta der Vereinten Nationen verankert. Im September 2024 hat ein Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen stattgefunden, in dem einige Reformen zum Umgang mit Generationengerechtigkeit beschlossen wurden. Allerdings stand dort die menschenrechtliche Perspektive bisher relativ weit im Hintergrund, obwohl diese zur Lösung der Probleme bei diesem Thema essentiell ist.
Es liegt also nun an Ihnen, den Delegierten des Menschenrechtsrats, sich mit den komplexen Fragen der Generationengerechtigkeit zu beschäftigen und zu überlegen, welche Maßnahmen der Menschenrechtsrat ergreifen sollte. Der Jugend, welche quasi die aktuelle Vertretung zukünftiger Generationen auf der Erde ist, kommt bei dieser Problematik eine besondere Rolle zu. Ihre Einbindung in Entscheidungsprozesse spielt eine wichtige Rolle beim Erreichen von Generationengerechtigkeit. Außerdem müssen Themen wie Klimawandel und soziale Gerechtigkeit bedacht werden. So ist belegt, dass der Klimawandel das Leben zukünftiger Generationen bedroht und dass Menschen in Entwicklungsländern dadurch besonders gefährdet sein werden. Und prinzipiell wäre sogar denkbar, ein neues Menschenrecht speziell für zukünftige Generationen zu schaffen.
Punkte zur Diskussion
2. Gibt es Menschenrechte, deren vorausschauender Schutz besonders relevant für zukünftige Generationen ist?
3. Wie können zukünftige Generationen ausreichend repräsentiert werden, wenn sie keine direkte Stimme besitzen?
4. Wie kann man der besonderen Rolle der Jugend beim Schutz der Menschenrechte zukünftiger Generationen gerecht werden?
5. Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, um den Schutz der Menschenrechte zukünftigen Generationen gewährleisten zu können?
6. Gibt es Bedarf für ein neues Menschenrecht speziell für zukünftige Generationen?
7. Sollte es eine unterschiedliche Verantwortung von verschiedenen Ländern bei der Umsetzung von Generationengerechtigkeit geben (bspw. Globaler Norden - Globaler Süden)?
Einleitung
Das Thema „Generationengerechtigkeit und Menschenrechte“ behandelt die zentrale Frage, wie Menschenrechte auch für zukünftige Generationen gesichert werden können. Alle Entscheidungen, die heute getroffen werden, haben langfristige Auswirkungen auf das Leben und die Rechte zukünftiger Generationen. Handlungsweisen wie beispielsweise die Vernachlässigung von Klimaschutz, Umweltverschmutzung oder fehlende Maßnahmen gegen Ungleichheit und Ausgrenzung können das Wohlergehen oder sogar das Überleben zukünftiger Generationen gefährden. Dadurch, dass die Mitglieder der zukünftigen Generationen derzeit noch nicht auf der Welt leben, besitzen sie keine direkte Stimme. Es liegt also in der Verantwortung der aktuell Regierenden, auch die Interessen zukünftiger Generationen mit in ihre Entscheidungen einzubeziehen und durchzusetzen. Sie müssen durch ihr Handeln dafür sorgen, dass Menschenrechte auch für zukünftige Generationen gewährleistet werden.
Hintergrund und Grundsätzliches
Die Vereinten Nationen erklärten schon oft ihre Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. In der Präambel der Charta der Vereinten Nationen steht geschrieben, dass „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges“ bewahrt werden sollen, der Schutz zukünftiger Generationen ist also tief im Kern der UN verankert. 1997 wurde in der Erklärung über die Verantwortung der heutigen Generationen erstmals erwähnt, dass es „den heutigen Generationen [obliegt] sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Interessen der heutigen und künftigen Generationen uneingeschränkt gewahrt werden.“ Insgesamt erwähnen seit 1961 mindestens 394 Resolutionen der Generalversammlung „zukünftige Generationen“.
Die Weltbevölkerung wird in Zukunft stark wachsen und soziale sowie wirtschaftliche Ungleichheiten vergrößern sich rapide. Voraussichtlich wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 10,4 Milliarden Menschen umfassen. Besonders stark wird die Bevölkerung voraussichtlich in Entwicklungs- und Schwellenländern steigen, was diese wirtschaftlich und sozial vor große, schwer zu bewältigende Probleme stellt. Noch dazu sind diese Länder oft besonders stark durch den Klimawandel gefährdet, was die Situation weiter erschwert. Dabei tragen Entwicklungsländer nur einen minimalen Teil zum globalen Treibhausgasausstoß bei, während sie mit Abstand am stärksten unter dessen Folgen leiden.
Kriege und andere gewalttätige Konflikte nehmen weltweit zu. Im Jahr 2022 gab es 55 verschiedene Konflikte mit staatlicher Beteiligung, von denen acht als Kriege galten. Inklusive nicht-staatlicher Konflikte handelt es sich um insgesamt 82 Konflikte. Nicht nur die Zahl der Konflikte, sondern auch ihre Dauer nimmt zu. Sie besitzen sowohl einen direkten als auch einen indirekten Einfluss auf das Leben zukünftiger Generationen und müssen daher dringend beendet werden. Zudem drängen akute Krisen wie Kriege oder die Corona-Pandemie langfristige und latente Krisen wie etwa Ernährungssicherheit, Klimakrise oder Energiesicherheit in den Hintergrund.
Aktuelles
Im September 2024 gab es einen Zukunftsgipfel (Summit of the Future) der Generalversammlung, bei dem eine Erklärung über zukünftige Generationen verabschiedet wurde. Zuvor gab es monatelange Verhandlungen unter Vertreter*innen vieler UN-Mitgliedstaaten. Am Ende des Gipfels kam ein Ergebnisdokument (Summit of the Future Outcome Document) zustande, welches unter anderem eine „Erklärung über zukünftige Generationen“ (Declaration on Future Generations) beinhaltet. Die Erklärung hat zum Ziel, dass künftigen Generationen eine bessere Zukunft hinterlassen wird, in der ihre Interessen gewahrt werden. Sie beinhaltet verschiedene Leitprinzipien, Selbstverpflichtungen und Maßnahmen.
Die Selbstverpflichtungen, beispielsweise das Unterbinden von Armut und Hunger, sollen im Rahmen der nationalen, regionalen und globalen Politikgestaltung umgesetzt, institutionalisiert und überwacht werden. Die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse soll helfen, langfristiges und vorausschauendes Handeln zu ermöglichen. Es sollen ein gerechterer und inklusiverer Zugang zu Wissen und Wissenschaft sowie Innovation und kritisches Denken gefördert werden, damit zukünftige Generationen positive Veränderungen und Wandel bewirken können. Außerdem soll das multilaterale System inklusive der Vereinten Nationen gestärkt werden, um durch bessere Zusammenarbeit einzelne Staaten bei der Umsetzung der Selbstverpflichtungen unterstützen zu können. Zudem soll eine zukunftsorientierte Organisationskultur bei den Vereinten Nationen gefördert werden. So soll beispielsweise ein Sondergesandter für zukünftige Generationen ernannt werden, um die Umsetzung zu unterstützen. In Zukunft soll bei einer weiteren Sitzung über die Umsetzung der Maßnahmen reflektiert werden.
Probleme und Lösungsansätze
Die Frage, wie der Erhalt der Menschenrechte künftiger Generationen gewährleistet werden kann, ist weiterhin unbeantwortet. Ein Problem ist, dass die Sicherung der Menschenrechte für zukünftiger Generationen nicht klar verankert ist. Es müssen also neue Mechanismen entwickelt werden, um Menschenrechte für künftige Generationen sichern zu können. Es stellt sich also die Frage, ob ein weiteres Menschenrecht spezifisch für zukünftige Generationen sinnvoll wäre oder welche Alternativen dazu bestehen.
Auf dem Zukunftsgipfel wurde beschlossen, einen Sondergesandten für zukünftige Generationen zu ernennen, was der Menschenrechtsrat ausbauen bzw. spezifizieren könnte. Mit einem Sondergesandten für zukünftige Generationen gehen einige Vorteile einher. Nun gibt es eine Person, die sich darauf fokussieren kann, Bewusstsein zu schaffen, Zusammenarbeit und Kapazitätsaufbau zu erleichtern und Auswirken tiefgreifend zu verstehen. Der Menschenrechtsrat könnte im Rahmen etablierter Prozesse des Menschenrechtsschutzes ergänzend dazu eine*n Sonderberichterstatter*in zu den Menschenrechten künftiger Generationen einsetzen, falls er dies für sinnvoll hält..
Partizipation von Jugendlichen ist relevant, um zukünftigen Generationen Menschenrechte sichern zu können. Jugendliche sind zukünftigen Generationen am nächsten, weshalb sich einige ihrer Interessen und Bedürfnisse überschneiden. Außerdem sind sie am meisten von den heutigen Entscheidungen betroffen. Andererseits muss darauf geachtet werden, dass junge Menschen nicht zu sehr mit den Problemen der Nachfahren belastet werden. Der Menschenrechtsrat sollte sich also mit der Frage auseinandersetzen, welche Wege gefunden werden können, sodass Jugendliche stärker einbezogen werden, ohne dass die ganze Verantwortung auf sie abgeschoben wird.
Es ist belegt, dass die Ungleichheiten zwischen den Generationen in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels bereits erkennbar sind und sich vermutlich steigern werden. Klimawandel und Umweltzerstörung bedrohen das Leben kommender Generationen. Der Schutz der Umwelt ist also ein zentraler Bestandteil, um kommenden Generationen Menschenrechte sicherzustellen. Die Generalversammlung hat sich 2015 die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) gesetzt, die einen Plan bieten, wie sich die Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigen lassen, ohne zukünftige Generationen zu gefährden. Der Menschenrechtsrat könnte beispielsweise fordern, dass ökologische Rechte explizit als Menschenrechte anerkannt und somit durchgesetzt werden müssen.
Dabei muss berücksichtigt werden, dass Länder des Globalen Südens mehr unter der globalen Erwärmung leiden werden. Beispielsweise wird vorhergesagt, dass die Sterblichkeit in allen Regionen außer Europa und Nordamerika bis Ende des Jahrhunderts ansteigt. Es stellt sich also die Frage, ob der Menschenrechtsrat Maßnahmen schaffen möchte, die für einen besonderen Schutz von zukünftigen Generationen in diesen Gebieten sorgen.
Hinweise zur Recherche
Sie sollten darauf gefasst sein, dass Sie bei der Recherche auf Texte und auch Bilder stoßen könnten, die die Themen Krieg, Klimawandel oder die Pandemie enthalten. Melden Sie sich bei Gesprächsbedarf gerne bei den Vertrauenspersonen für Teilnehmende.
Recherche zu Ihren Länderpositionen:
Statements einiger Länder zum Zukunftsgipfel finden Sie hier: https://www.un.org/en/summit-of-the-future/statements (englisch). Es empfiehlt sich darüber hinaus, Pressemitteilungen oder Zeitungsartikel über den Zukunftsgipfel aus Ihrem jeweiligen Land zu lesen, diese kann man sich auch ins Deutsche übersetzen lassen (zum Beispiel mit DeepL).
In dem Kurzdossier „Im Sinne der kommenden Generationen denken und handeln“ (https://www.un.org/Depts/german/gs/OurCommonAgenda-FutureGenerations.pdf) befindet sich auf Seite 9 eine Karte, in der gekennzeichnet ist, welche Länder in ihrer Verfassung auf die kommenden Generationen Bezug nehmen und/oder über Institutionen verfügen, die deren Interessen schützen. Eventuell könnten Sie, sollte das bei Ihrem Land der Fall sein, recherchieren, wie genau in Ihrem Land auf die kommenden Generationen Bezug genommen wird.
Lexikon
Menschenrechte: Rechte und Grundfreiheiten, die für alle Menschen von Geburt an gelten und von der Generalversammlung 1948 beschlossen wurden: https://unric.org/de/allgemeine-erklaerung-menschenrechte/ (deutsch)
Zukünftige Generationen: Unter künftigen Generationen (Future Generations) versteht die UN laut dem „Elements paper for the declaration for future generations“: „Für die Zwecke dieses Elementepapiers sind ‚die kommenden Generationen‘ als alle die Generationen definiert, die es noch nicht gibt, die noch kommen und die diesen Planeten letztlich erben werden.“ (https://www.un.org/pga/76/wp-content/uploads/sites/101/2022/09/Elements-Paper-Declaration-for-Future-Generations-09092022.pdf (englisch))
Präambel: feierliche Erklärung als Einleitung einer Verfassung, Staatsvertrages, Vertrages
Charta der VN: Hierbei handelt es sich um den Gründungsvertrag der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1945. Ihre universellen Ziele und Grundsätze bilden die Verfassung der Staatengemeinschaft, zu der sich alle inzwischen 193 Mitgliedstaaten bekennen. Nachzulesen ist sie unter anderem hier: https://unric.org/de/charta/ (deutsch)
Multilateral: Mehr als zwei Seiten, hier oft Staaten, betreffend
Partizipation: Aktive Teilhabe an Entscheidungen
Dossier: Sammlung von Dokumenten zu einem bestimmten Thema
Quellenangaben und weiterführende Links
Besonders hilfreiche Quellen
Guterres, António: Im Sinne der kommenden Generationen denken und handeln. 2023. https://unric.org/de/kurzdossiers29032023/ (deutsch) - Das Kurzdossier war als Vorbereitung auf den Zukunftsgipfel gedacht und enthält einige praktische Vorschläge zur Gewährleistung von Interessen der kommenden Generationen. Es lassen sich zudem einige hilfreiche Erklärungen sowie Statistiken finden, die für das Thema relevant sind.
Summit of the Future Outcome Documents. Pact for the Future, Global Digital Compact, and Declaration on Guture Generations. 2024. https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/sotf-the-pact-for-the-future.pdf (englisch) - Das Ergebnisdokument des Zukunftsgipfels zeigt, welche Maßnahmen nun beschlossen wurden.
Weitere Quellen
A/Res/70/1. Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. 2015. https://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf (deutsch) - Hierbei handelt es sich um die Ziele für nachhaltige Entwicklung.
Königreich der Niederlande: Elements paper for the declaration for future generations. 2022. https://www.un.org/pga/76/wp-content/uploads/sites/101/2022/09/Elements-Paper-Declaration-for-Future-Generations-09092022.pdf (englisch) - Hierbei handelt es sich um eine ausgearbeiteten Entwurf der Niederlande von Handlungsempfehlungen bzgl. künftigen Generationen. Dieser ist thematisch unterteilt.
Tagesschau: Kriege, Krisen und Konflikte. Die Welt im Dauerstress. 2023. https://www.tagesschau.de/wissen/krieg-frieden-leibniz-institut-konfliktforschung-ukraine-100.html (deutsch) - Dieser Beitrag bezieht sich auf die aktuelle Lage von Krisen auf der Welt.
Yang, Philemon: Letter from the president of the General Assembly. 2024. https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/soft-pga-letter-pact-for-the-future.pdf (englisch) - Der Brief entstand kurz vor dem Zukunftsgipfel und bezieht sich auf die Vorbereitung dessen. Er betont die Relevanz des Zukunftsgipfels.